Altenburg. Landrätin Michaele Sojka mischt sich in die aktuelle Debatte um die Wohnsitzauflage innerhalb Thüringens ein. Sie sagte heute: „Die Wohnsitzauflage für Flüchtlinge durch Bundesgesetz rückwirkend in Kraft zu setzen, ist aus humanitären, wirtschaftlichen und meines Erachtens nach auch rechtlichen Gründen nicht zu vertreten." Für Sojka stehen dabei ganz praktische Folgen für die Betroffenen und ihre Behördenmitarbeiter im Vordergrund.
Seit dem 6. August 2016 wurde durch Bundesgesetz die so genannte Wohnsitzauflage für alle Flüchtlinge in Kraft gesetzt, deren Aufenthaltstitel ab dem 1.1.2016 bestandskräftig wurde. Das bedeutet, dass die Schutzsuchenden nun von den Ausländerbehörden aufzufordern sind, in dem Bundesland zu verbleiben, dem sie einst zugewiesen wurden bzw. im Falle des bis dahin zulässigen Umzugs in dieses zurückzukehren.
„Die praktischen Auswirkungen sind verheerend“, so Sojka. „Die bisher zuständigen Ausländerbehörden geben ihre Akten an die neu zuständigen ab. Jobcenter stellen ihre Leistungen ein und beim dann zuständigen Jobcenter hat die Neubeantragung und Bearbeitung zu erfolgen. Mit viel Kraft gefundene und mit staatlicher Unterstützung eingerichtete Wohnungen müssen gekündigt werden; es entstehen Renovierungs- und Umzugskosten. Begonnene Integrationsmaßnahmen werden abgebrochen. Kinder werden aus den Kindertagesstätten und Schulen herausgerissen. Familienbande werden erneut durchtrennt und nicht zuletzt werden die Integrationsbemühungen zahlreicher ehrenamtlicher Helfer zunichte gemacht.“
„Damit aber nicht genug; es kommt noch schlimmer“, weiß Sojka. „Wenn Flüchtlinge von anderen Bundesländern aufgefordert werden, in ihr Zuweisungsbundesland zurückzukehren, wissen die aufnahmepflichtigen Kommunen nicht, wer zu ihnen kommt. Die Wohnsitzauflage gilt nur für das Gebiet des Landes Thüringen, nicht aber für einen konkreten Landkreis, geschweige denn für eine Gemeinde. Eine einigermaßen vorausschauende Planung und Vorbereitung ist damit ausgeschlossen. Das Chaos, welches dadurch erzeugt wird, dürfte die Belastungsgrenzen der Kommunen, Behörden und ehrenamtlich Aktiven annähernd so strapazieren, wie in der Situation im vergangenen Jahr.
Die gesetzgeberische Intention einer gerechten Verteilung der Herausforderungen und Kosten kann ich durchaus teilen. Auch der Landkreis Altenburger Land hatte zu bestimmten Zeitpunkten - im Verhältnis zu manch anderem thüringischen Landkreis - überproportional geholfen. Derartige Schwankungsbreiten sind in Krisensituationen auch nicht vermeidbar. Entstehende Ungleichbelastungen müssen und werden in der Folgezeit ausgeglichen werden, da bin ich sehr zuversichtlich. Mir ist bewusst, dass zahlreiche Metropolen in einigen Bundesländern im Vergleich zu den Anstrengungen innerhalb des Freistaates Thüringen übermäßig belastet sind und dringend einer Entlastung bedürfen. Der gebotenen Solidarität werden sich auch sicher kein thüringischer Landkreis und keine kreisfreie Stadt verschließen. Die jetzt beschlossene Regelung lässt sich jedoch nicht ansatzweise mit den Geboten der Menschlichkeit und Vernunft in Einklang bringen."
Den Ländern ist durch das Gesetz das Recht zum Erlass einer Rechtsverordnung eingeräumt.
"Den Integrationsminister Lauinger fordere ich auf, unverzüglich alles in seinen Möglichkeiten Stehende zu veranlassen, diesem Unfug ein Ende zu bereiten. Ziel muss es dabei sein, uns einen sinn- und verantwortungsvollen Vollzug des Gesetzes zu ermöglichen. Es kann nicht hingenommen werden abzuwarten, bis der Europäische Gerichtshof die in Berlin getroffene Regelung erneut beanstandet. Das wird nach meiner Überzeugung zwar geschehen, dauert aber viel zu lange und hilft den Menschen heute nicht“, so Landrätin Michaele Sojka weiter.